Ausgleich nach Ertragswert

Bei landwirtschaftlichen Eheleuten, die im gesetzlichen Güterstand leben, muß der während der Ehe erzielte Zugewinn nach einer Scheidung ausgeglichen werden
Der Zugewinnausgleich findet bei der Scheidung oder dem Tod von Eheleuten, die im gesetzlichen Güterstand lebten, statt. Bei der Beendigung der Ehe durch Tod wird der Zugewinnausgleich in der Regel durch die Erhöhung des Erbteils um ein Viertel pauschal durchgeführt, bei der Beendigung der Ehe durch Scheidung wird der Zugewinnausgleich errechnet. Dabei wird folgendermaßen verfahren:

Anfangs und Endvermögen

Der Zugewinnausgleich setzt zunächst voraus, daß der Zugewinn eines jeden Ehegatten einzeln ermittelt wird. Als Zugewinn bezeichnet man den Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten dessen Anfangsvermögen übersteigt.
! Anfangsvermögen ist der Wert des Vermögens, das einem Ehepartner nach Abzug der Schulden bei Ehebeginn gehörte. Das Vermögen wird mit dem Verkehrswert, also dem Veräußerungswert, angesetzt. Ein Hof allerdings wird mit dem Ertragswert angesetzt.Hinzugerechnet wird zum Anfangsvermögen dasjenige, was einem Ehegatten während der Ehe mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht geschenkt oder vererbt wird. Dazu zählt auch der elterliche Hof, der einem Ehegatten übertragen wird. An einem unentgeltlichen Vermögenserwerb, zu dem der andere Ehegatte nichts beigetragen hat, soll er auch nicht teilnehmen.
! Als Endvermögen bezeichnet man den Wert des Vermögens, der nach Abzug der Schulden bei Zustellung des Scheidungsantrags vorhanden ist. Hat der Ehegatte in den letzten zehn Jahren etwas verschenkt, wird dies dem Endvermögen hinzugerechnet. Dadurch soll verhindert werden, daß ein Ehegatte den Zugewinnausgleichsanspruch des anderen vereiteln kann, indem er vor der Scheidung Vermögen verschenkt. Nach der Ermittlung des Zugewinns der einzelnen Ehegatten hat derjenige Ehepartner, der den höheren Zugewinn hat, die Hälfte des Mehrgewinns in Geld dem anderen Ehepartner auszugleichen. So ergibt sich, daß der Zugewinn während der Ehezeit identisch ist, während das Anfangsvermögen unangetastet bleibt. Grundsätzlich wird das Anfangs- und das Endvermögen nach dem Verkehrswert bewertet. Das ist der Wert, der sich bei einer Veräußerung ergäbe.

Nach dem Ertragswert

Eine wichtige Ausnahme gilt für landwirtschaftliche Betriebe. Diese werden nicht nach dem Verkehrswert, sondern einschließlich der Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie des lebenden und toten Inventars nur mit dem Ertragswert bewertet. Als Ertragswert gilt der 25fache jährliche Reinertrag, den der Hof nachhaltig erwirtschaften kann. Hier orientiert man sich nach Möglichkeit an betriebswirtschaftlichen Jahresabschlüssen. Es ist leicht verständlich, daß dies eine erhebliche Begünstigung darstellt. Denn in aller Regel ist der Ertragswert, selbst wenn der Verkehrswert erheblich angestiegen ist, nur wenig oder gar nicht gestiegen. Dies hat zur Folge, daß in bäuerlichen Scheidungsfällen meist nur ein geringer Zugewinn entsteht, so daß nur ein geringer Ausgleichsanspruch des geschiedenen Ehegatten in Frage kommt.Diese Bevorzugung wird - ebenso wie das Sondererbrecht der Höfeordnung - durch das "öffentliche Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Betriebe in bäuerlichen Familien" begründet. Deshalb haben das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, daß diese Bevorzugung nur dann gerechtfertigt ist, wenn tatsächlich noch ein schutzwürdiger landwirtschaftlicher Betrieb vorhanden ist. Das ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn auf dem Betrieb gar nicht mehr selbst gewirtschaftet wird, sondern alle Flächen verpachtet sind und nicht zu erwarten ist, daß der Eigentümer oder seine Kinder die Bewirtschaftung wieder aufnehmen.Nicht nach dem Ertragswert, sondern nach dem Verkehrswert anzusetzen sind Bauland- und Landverkäufe oder Landzukäufe, die ein Ehepartner getätigt hat. Der Ansatz des Ertragswertes gilt im übrigen sowieso nur für solche Betriebe, die ein Ehepartner in die Ehe eingebracht hat oder während der Ehe übertragen erhalten hat. Wurde ein Betrieb während der Ehe gekauft, ist in jedem Fall der Verkehrswert anzusetzen.

Beispielsfall Schneider

An einem Beispiel wollen wir verdeutlichen, wie der Zugewinn auf einem Hof berechnet wird:
Das Ehepaar Schneider hatte 1970 geheiratet, es lebte im gesetzlichen Güterstand. Am 1. Mai 1973 erfolgte die Ûbergabe des 40,5-ha Hofes an den Ehemann. Er hatte Abfindungen von 80000 DM und Restschulden von 70000 DM zu zahlen. Die Scheidung erfolgte 1985. Zwischenzeitlich waren die Geschwister abgefunden, das Wohnhaus war vergrößert und renoviert, die Viehhaltung und der Maschinenpark waren erweitert worden. Es bestanden daher 210000 DM Neuschulden und noch 46000 DM Altschulden bei der Scheidung. Eine Teilfläche von 0,25 ha war während der Ehe zu Bauland ausgewiesen worden (Wert: 90 DM/m2), die aber wegen der Hofnähe nicht verkauft wurden. Die Ehefrau hat drei Kinder großgezogen und im Betrieb mitgearbeitet. Wie sich Anfangs- und Endvermögen sowie der Zugewinnausgleich berechnen, zeigt die nachfolgende Ûbersicht.

So wird der zugewinnausgleich berechnet
Das Anfangsvermögen der Eheleute Schneider berechnet sich so:
600 DM/ha Reinertrag x 40,5 ha x 25 (Kapitalisierung) = 607 500 DM
minus gezahlte Abfindungen = 80 000 DM
minus Schulden = 70 000 DM
Summe = 457 500 DM
Der Betrag muß um den während der Ehe eingetretenen Kaufkraftverlust bereinigt werden
(Index 1980 = 100, 1970 = 73, 1985 = 121):
457500DM x 121 ./. 73 = 758 322DM
Das bereinigte Anfangsvermoegen belief sich 1970 damit auf = 758 322 DM

Das Endvermögen berechnet sich im Fall Schneider wie folgt:

900 DM/ha Reinertrag x 40,5 ha x 25 (Kapitalisierung) = 911 250 DM
+0,25 ha Bauland (90 DM/m2) = 225 000 DM
minus Altschulden = 46 000 DM
minus Neuschulden = 210 000 DM
Summe = 880 250 DM
Fazit: Die Eheleute Schneider haben während ihrer Ehe einen Zugewinn von 121 928 DM erwirtschaftet (880 250 DM minus 758 322 DM). Die Hälfte davon, 60694 DM, muß Landwirt Schneider nach der Scheidung an seine geschiedene Frau auszahlen.
aus Landwirtschaftszeitung